zurück zur Startseite
Zum Gedenken an Eitel Klein


Eitel Klein wurde am 27. 4. 1906 in Hörlbach geboren, wo sein Vater
Lehrer war. Das Dorf liegt am Nordrand des südlichen Teils der
fränkischen Alb. Die nächsten Städte sind Ellingen, in das Hörlbach
inzwischen eingemeindet wurde, und Weißenburg. Im Süden grenzt
das Gebiet der alten Bischofsstadt Eichstätt an, im Norden hat das
große Nürnberg seinen Einzugsbereich. Damals regierte in Bayern
Prinzregent Luitpold, im Reich Kaiser Wilhelm II, dessen Politik 1906
mit Marokkokrise und Flottenrivalität zu England in den ersten
Weltkrieg schlingerte.

Eitel Klein studierte in den harten Nachkriegsjahren von 1924 bis
1929 an der Nürnberger Staatsschule für ange­wandte Kunst, zuerst
bei Rudolf Schiestl, dann bei Max Körner. 1929 bis 1932 setzte er
das Studium an der Münchener Akademie der Bildenden Künste fort.
Sein Lehrer war Karl Caspar (1879 - 1956; nicht zu verwechseln mit
dem ebenfalls, auch nach 1945, in München unterrichtenden
Nazikünstler Hermann Kaspar). Eitel Klein teilte Cas­pars Schicksal
insofern, als beide von der nationalsozia­listischen Kunstverfolgung
getroffen wurden: Der Schüler erhielt 1933 Malverbot*, der Lehrer
wurde 1937 aus der Akademie entlassen. Eitel Klein fand in
Buchenbühl am nördlichen Stadtrand Nürnbergs Zuflucht, wo seine
Eltern eine Doppelhaushälfte in einer kleinen Siedlung be­wohnten.
Von dort aus nahm er in den Jahren 1933 bis 1940 im fränkischen
Schweiz-Ort Hetzles Quartier. 1940 mußte er schließlich an Hitlers
Krieg gegen die So­wjetunion teilnehmen, geriet 1944 in
Gefangenschaft und wurde nach Rußland gebracht, wo er deswegen
überlebte, weil die russische Lagerleitung dem Maler, den sie für sich
arbeiten ließ, einige Freiheiten gewährte. 1950 durfte er nach
Buchenbühl zurückkehren, zehn Jahre nach der Einberufung.

* Tatsächlich wurde im Jahr 1934 das von der Stadt Nürnberg
angekaufte Bild „Verblühte Sonnenblumen“ beschlagnahmt. Es wäre
wohl zu einem Ausstellungsverbot gekommen, hätte der
Akademieprofessor Fritz Griebel dies nicht durch seine Fürsprache,
sein „mutiges Einstehen“ (Eitel Klein im Dankesbrief) verhindert.
Klein nahm mit Landschaftsbildern an Ausstellungen teil.

Eitel Klein lebte dort, im elterlichen Haus, bis zu seinem Tod, ist also
insofern als Nürnberger Künstler zu be­zeichnen. Er trat der 1947
gegründeten Nürnberger Künstlergruppe "Kreis" bei und wurde (1953)
Mitglied der "Neuen Münchner Künstlergenossenschaft". 1952 hei­
ratete er Barbara Sauer, eine Tochter des aus Bamberg gebürtigen
Malers und Simplicissimus-Mitarbeiters Josef Sauer, die ihren Sohn
Michael in die Ehe mitbrachte. 1955 wurde die Tochter Susanne Klein
geboren, die in­zwischen ebenfalls als Malerin tätig ist. Nach
vierzigjähriger, durch keine Anbindung an eine Institution gestützte
Tätigkeit als freischaffender Künstler starb Eitel Klein in Nürnberg am
12. 11. 1990.

Bereits der Lebenslauf des Künstlers offenbart verschiedene
Bedingungen, die sein Schaffen prägten. Die allzu euphemistisch
"freischaffend" genannte Existenz definiert in der Regel ein
Außenseiterdasein, dessen ökonomische Nachteile nur von den
wenigsten gemeistert werden. Daß dies Eitel Klein gelang, der sein
Buchenbühler Refugium durchaus zu einer Idylle mit bürgerlich-
behaglichen Zügen ausgestalten konnte, hatte natürlich seinen Preis.
Der Künstler übernahm künstlerische Aufträge jedwelcher Art, mochten
sie noch so wenig mit Malerei oder Graphik zu tun haben. Es gibt von
ihm an öffentlichen Gebäuden eine Vielzahl von Mosaiken, Fresken,
Reliefs oder Werken in Glas, die sein noch zu sammelndes Oeuvre in
die verschiedensten Richtungen hin ausweiten. Ferner sind die vielen
Gelegenheitsarbeiten nicht zu vergessen, die er für Firmen oder
sonstige, auch private Abnehmer, herstellte.

Es ist jedoch keineswegs so, daß dieser Bereich strikt von seinem
malerischen und graphischen oeuvre zu tren­nen wäre, sondern er
geht fließend in die Menge der Gelegenheitsarbeiten über, die Eitel
Klein z. B. im oder für den Freundeskreis ohne kommerzielle
Zielsetzung schuf. Das zeigt, daß die Verbindung von Kunst und ihrer
"Anwendung" von ihm durchaus akzeptiert wurde. Die Lösung eines
Problems, das durch Thematik, Material oder Format determiniert war,
stellte für ihn eine sinnvolle Aufgabe dar, nicht nur in künstlerischer
Hinsicht. Die Befassung mit Auftrags- oder Gelegenheitsarbeiten
bildete über das ökonomische hinaus ein stabilisierendes Element
seiner Existenz, indem sie gesellschaftlich integrierend wirkte.

Eitel Klein lebte als selbständiger Künstler ausschließlich in Nürnberg,
das er nur zu Reisen verließ. Deren Ziele waren noch vor dem Krieg
Jugoslawien, dann Sylt, Italien, Südtirol, Spanien, Ibiza, Frankreich und
Holland. Auch der Wohnort muß unter den Bedingungen genannt
werden, die auf seine Kunst mittelbar oder unmittelbar einwirkten.
Fränkisch waren nicht nur die Landschaften, Häuser oder Figuren,
welche die Vorlagen für viele seiner Bilder abgaben, sondern Franken,
genauer Nürnberg, stellte seinen Werken auch das nächste Publikum.
Er mußte dessen traditionelle Erwartungshaltung, wollte er Erfolg
haben, treffen. Infolge seiner Herkunft ergab sich für ihn die Situation,
daß er selbst in die noch zu schildernde Rezeptionsstruktur
hineingewachsen war und jeder Schritt über sie hinaus für ihn eine
Auseinandersetzung mit der eigenen Identität bedeutete. Wie in jeder
Großstadt mit spezifischem Kunsterbe überlieferte die Vergangenheit
auch in Nürnberg den Anschauungen über Kunst und ihre Praxis
eigene Züge, die so oder in der Deutlichkeit in anderen Zentren nicht
auftreten. Faßt man sie in ein exemplarisches Bild, dann ergeben sie
das Modell eines fleißigen, bürgerlich gemäßigten Künstlers, der sich
als genauer Schilderer der diesseitigen Wirklichkeit in ihr aufgehoben
fühlt. Er verschmäht weder Aufträge noch Gelegenheitsarbeiten für den
Freundeskreis, den er sich mit Humor und Geselligkeit zu gewinnen
und erhalten weiß. Die Schönheit der mediterranen Welt überliefert er
mit Bildern von der Reise, doch schätzt er auch die fränkische
Landschaft, die er sich wandernd erschließt. Seine Kunst ist frei von
modernen Übertreibungen, deren Verlockungen er nicht erliegt. In
ihrem jederzeit überprüfbaren Rückbezug auf die reflektierte
Wirklichkeit und den Anlaß, der zum Akt der Wiedergabe führte, liegt
ihr Sinn.

Es ist unschwer zu bezeichnen, aus welcher Quelle solche
Anschauungen gespeist wurden, die, in der Realität des Alltags
natürlich diffuser verteilt als es die theoretische Verschmelzung
annehmen läßt, bis heute lebendig geblieben sind. Ihr Ursprung ist das
Bild, das die Romantik von Dürer entwarf. Nürnberg ist nie ganz aus
dem riesigen Schatten Dürers herausgetreten. Neu erweckt wurde das
Ideal des großen Meisters am Ende des 18. Jahrhunderts im Zuge der
romantischen Entdeckung des deutschen Mittelalters und besonders
Nürnbergs. Die Frage, wieweit die historische Wahrheit dabei
verformt wurde, muß hier hinter der nach dem historischen Echo
zurücktreten. Dessen Reichweite ist kaum zu überschätzen; man
braucht sich nur klarzumachen, welcher Komplex von Forderungen an
die künstlerische Existenz zum Vorschein kommt, wenn man die
Rühmung "des Maßes" als des Klassischen an Dürer in die Realität
übersetzt. Um unter den Folgen dieses Dürerbildes nur eine zu
nennen: Kaum woanders hat es die ungegenständliche Kunst so
schwer, sich zu entfalten wie im Umkreis solcher Vorstellungen, da die
Abstraktion ja ihrer Genese und ersten Definition nach Jenseitiges,
Nicht-Existierendes, also das Reich der Ideen, wiedergeben will.
Keiner Überlegung bedarf es auch, daß ein solches Künstlerbild nur
entstehen kann, wenn es mit weiten Lebensbereichen der Region
verzahnt ist. Die freiwillige Selbstbeschränkung auf gewisse Regeln ist
eine typische Verhaltensweise, die im engen Nebeneinander
verschiedenster Regierungs­ oder Staatsformen und Konfessionen in
Franken durch Jahrhunderte ausgebildet wurde. Sie hat ihre
phänomenologische Entsprechung in der Landschaft, deren Zentrum
seit dem 18. Jahrhundert als eine Art Miniaturschweiz gesehen wird,
und in deren oft mittelalterlich geprägter Bebauung. Diese kann, ob in
der Realität oder auf dem Bild, nur gewaltsam modernisiert werden.
Letzteres rührt an ein grundsätzliches Problem, das den Künstler, der
seine Umgebung wiedergeben will, besonders betrifft. Zweifellos
besteht die Gefahr, daß bei einer Übersteigung der Regeln einer
solchen Lebenswelt sich seichter, destruktiver Modernismus leichter
einstellt als in Räumen, in denen dieser Bruch nicht von vorneherein
fremdbegründet ist. Begünstigt wird die Gefährdung durch den
eigentümlichen Mangel an fränkischem Selbstbewußtsein, der durch
die fatale jüngste Geschichte zum Extrem getrieben wurde. Die
nationalsozialistische Adaption Nürnbergs brach dem kulturellen
Selbstverständnis der Stadt das Rückgrat. So konnte es geschehen,
daß den im Zusammenhang mit dem 3. Reich erlittenen Zerstörungen
vor 1945 anschließend eine lange Phase der Mißachtung, wo nicht
freiwilligen Selbstzerstörung des kulturellen Erbes folgte. Erst in den
70er Jahren, in denen nicht zufällig auch der fränkische Dialekt wieder
literaturfähig wurde, änderte sich das Verhältnis der Region zu sich
selbst, eine Tendenz, die, wie man unschwer prophezeihen kann, mit
dem Wegfall der Grenzen nach Norden und Osten anhalten wird.

Daß das Künstlertum Eitel Kleins sich mit manchen Zügen des
entworfenen Ideals deckte, geht schon aus seiner eingangs
angesprochenen Strategie zur ökonomischen bzw. gesellschaftlichen
Bewältigung der freien Künstlerexistenz hervor. Bestätigung liefert die
lokale Kritik, die seine vielen Ausstellungen wohlwollend begleitete.
Sie tat dies allerdings in Wendungen, die zu weiteren Überlegungen
führen. Eitel Klein wurde gerühmt als ein Künstler, der sich selbst treu
blieb, unverwechselbar, in sich selbst verwurzelt, nicht modisch und
daher kein Produzent von "documenta-Kunst". Es sind klassische
konservative Topoi, mit denen zu Recht der fränkische Konnex seines
Oeuvres angesprochen wird. Ihre Problematik wird aber offenkundig,
wenn man sie auf der einen Seite mit der angedeuteten Phase des
gestörten fränkischen Selbstverständnisses konfrontiert, in die sein
Schaffen ab 1950 fiel, auf der anderen mit der Tatsache, daß sie
weder mit der offiziellen, bekanntlich international-modernistisch
fixierten Leitlinie der adenauerzeitlichen Kunstkritik übereinstimmten
noch mit dem Selbstverständnis des Künstlers, der sich selbst
keineswegs der Reaktion zugeschlagen hätte. Die Frage, welchem
Zeitgeist er eigentlich zugehörte, ist noch offen. Eine Annäherung an
ihre Antwort kann nur versucht werden, wenn man seine persönliche
Leistung an dem bemißt, was er überwand, also sein Werk in den
Zusammenhang stellt, in dem es begann.

Eitel Klein trat mit dem Beginn seines Studiums in Nürnberg an der
Staatsschule für angewandte Kunst in eine bestimmte Tradition ein. Im
20. Jahrhundert gab es in Franken, mit Nürnberg als Zentrum, eine von
der Kunstgeschichte bisher nicht beachtete Künstlergruppierung, die
man eine "Fränkische Malerschule" nennen kann. Ihr Begründer war
Rudolf Schiestl. 1873 zog die Kunsthandwerkerfamilie Schiestl, die dem
oberen Zillertal zwischen Zell und Mayrhofen entstammte, nach
Würzburg. Rudolf (1878 - 1931), der jüngste der drei Schiestl-Brüder,
war Maler und Zeichner. Er studierte in München u. a. bei Franz von
Stuck und erhielt 1910 eine Professur in Nürnberg. In dieser Stellung
prägte eine ganze Gene­ration fränkischer Künstler, von denen einer,
Hermann Wilhelm (1897-1970), nach 1945 ebenfalls Professor an der
Nürnberger Kunstakademie, der Nachfolgerin der Staatsschule für
angewandte Kunst, wurde.

Rudolf Schiestl erfüllte die oben beschriebenen Anscha­ungen über
Künstlertum mit Leben, indem er sie behutsam mit modernen
Elementen verschmolz. Nach dem Vorbild Dürers malte und zeichnete
er in Franken Land und Leute, alles Gesehene mit der
Unbekümmertheit des nicht der Region Entstammenden zur
Bildwürdigkeit erhebend. Seinen Motiven ist anzumerken, daß sie
erwandert wurden: In die Bildmitte führt oft, meist etwas zu hoch en­
dend, der Weg hinein, auf dem der Zeichner steht und das Gesehene
festhält. So wurde Schiestl zum Idol der Jugendbewegung, die seine
Graphik als modern und zugleich als deutsch empfand. Aber der Plein-
air-Duktus seiner Landschaften verrät auch, von woher er manche
Errungenschaft bezog: vom französischen Impressionismus. Die
fränkischen Maler lernten durch ihn, die Grundfarbe des Blattes stehen
zu lassen und damit das ganze Bild zusammenzuhalten oder die
Gegenstände schwarz zu umranden. Seine genrehaften graphischen
Blätter, auf denen Schiestl anekdotenhafte Szenen, meist humoristisch
gestimmt, knapp und präzise formulierte, waren weitverbreitet und
gaben der "Fränkischen Maler­schule" ebenfalls eine feststehende
Thematik vor.

Es wäre erst noch zu untersuchen, wie dieser Anfang von der Schule,
zu der noch der in München lehrende Franke Adolf Schinnerer (1876 -
1949) genannt werden muß, weitergeführt wurde: von manchen mit
Abweichun­gen zum Harmlos-Biederen hin, von anderen unter
verstärkter Anlehnung an den Urahn Dürer, von den besten mit
Versuchen ihrer erneuten Modernisierung. Zur letzten Richtung gehört
Eitel Klein. Bereits sein Weggang von Rudolf Schiestl, der ihn über
Max Körner zu dem Spat-Expressionisten Karl Caspar führte, zeigt an,
daß er etwas Neues suchte. Er tat dies, hierin hat die konservative
Kritik recht, unter Beibehaltung grundsätzlicher Positionen der
"Fränkischen Malerschule". Das Gemälde oder die Zeichnung ist für
ihn Endzustand der subjektiven Umsetzung des Vorbildes aus der
Wirklichkeit mit rein künstlerischen Mitteln. Der Ansatz impliziert, daß
das Ergebnis nicht an seiner Schönheit, die nur wesentliche Ingredienz
sein sollte, sondern an der Qualität der bildlichen oder graphischen
Erfassung zu messen ist. Der Kunstcharakter des Ergebnisses
bestimmt die objektive Seite des Vorgangs. Damit ist klar, daß bei
Eitel Klein die Abstraktion keinen Platz hat; er verwendet z. B. nie
Fundstücke oder macht Collagen. Daraus folgt, daß er keine Theorie
braucht, die das Werk erklären würde. Seine Bilder sind nicht Reflexe
kunsttheoretischer Erwä­gungen oder sonstiger Ideen, er überhöht
sein Tun auch nicht metaphysisch. Mit eigenen Augen Gesehenes
durch Farbe oder Tinte in ein Bild zu verwandeln, dessen optische
Qualität es als Kunst ausweist, vor dem Ziel wurden für Eitel Klein
andere Erwägungen nebensächlich.

Innerhalb dieses übernommenen Rahmens entfernte er sich jedoch
erheblich von den mit Rudolf Schiestl bezeichneten Anfängen. Das
muß nun detailliert beschrieben werden. Die Kunst Eitel Kleins hat
zwei Schwerpunkte: Malerei, meist mit Öl auf Leinwand, und Graphik,
Zeichnungen oder Holz- bzw. Linolschnitte. Die Gemälde zeigen vor
allem Landschaften, Motive aus Franken, aber auch, nicht von
geringerem Gewicht, aus Oberbayern (Chiemsee), Südtirol,
Frankreich und Ibiza, um nur die wichtigsten Gegenden und Länder zu
nennen. Wiederge­geben sind ihm aufgefallene Partien, die jedoch
keine touristischen Höhepunkte sein müssen. Daneben malte er
Stilleben, Porträts, meist aus der Familie, und Selbstporträts. Vor
allem die Landschaften übersteigen mit ihrer starken, ungestümen
Farbigkeit das von der fränkischen Malerschule Gewohnte. Der
"Schiestlweg" ist noch steiler geworden und gibt der Leinwand
vertikalen Halt. Manche Flächen, besonders die auf den Betrachter ge­
richteten, sind nicht ausgeführt, wie überhaupt der Vordergrund als
waagrechter Anschnitt aufgefaßt ist. Die flächige Tendenz der
Bildanlage wird auch an den Flaschen der Stilleben offenbar, die dazu
tendieren, mit ih­ren seitlichen Verdickungen gewissermaßen Vorder-
und Seitansicht zusammen vorzuführen. Der Farbauftrag ist als solcher
deckend, aber oft in graphische Einzelzüge aufgesplittert, so daß -
mindestens an den Rändern der Gegenstände - der Malgrund
durchscheint. Die Formen der Objekte sind vereinfacht und werden
häufig von ei­ner schwarzen Umrandung zusammengehalten. Eitel
Klein trieb diese traditionellen Mittel der "Fränkischen Malerschule"
bis ins Extrem. Die starke Reduktion der Erscheinung auf expressive
Einzelformen von eigenem Ausdrucksgehalt wird etwa am Beispiel
der Kerzenflammen deutlich, die er in blütenartige Lichtbüschel
verwandelte. Ins Graphische geht auch eine spezifische Eigentümlich­
keit seiner Verwendung der Farben: Eitel Klein wies ihnen neben den
farblichen Qualitäten auch die Aufgabe zu, die Heil-Dunkel-Wirkung
mitzubestimmen. In Stilleben kann etwa das Blau so pointiert sein, daß
es in seiner Strahlkraft über die anderen Partien, selbst wenn sie weiß
sind, dominiert. Das ergibt in den geglückten Werken eine spezifische
Struktur, die, von der Fläche der Leinwand ausgehend, das Bild
zusätzlich und unabhängig von der Perspektive zusammenhält. Daraus
resultiert die eigentümliche Spannung, die seine Gemälde trotz ihrer
Klarheit und Übersicht auszeichnet und die sich so in der "Fränkischen
Maler schule" vor ihm nicht findet.

Man kann in solchen Zügen erneute Angleichungen an das Niveau der
klassischen Moderne erblicken. Es sind Elemente, in denen die
Verarbeitung von Vorbildern - beginnend bei Caspar, über Cezanne,
van Gogh, die deutschen Expressionisten, bis zu Beckmann - ihren Er­
trag brachte. Eitel Klein führte der stilistischen Tradition der
"Fränkischen Malerschule" eigenständig neue künstlerische Mittel zu,
deren Erwerb zu seiner Leistung gehört. Doch die Differenz zu den
Bedingungen, unter denen er begann, ist damit noch nicht völlig be­
schrieben.

Neben den Gemälden mit den aufgezählten Themen gibt es solche mit
vielfigurigen Szenen, die bühnenartig agierende Personen, oft maskiert,
versammeln. Ihre Gruppierung hat psychologische Grundlagen,
geschildert wird ein Verhalten, das auf der Übersteigung der gewohnten
Regeln im Theater oder Fasching basiert. Solche Bilder leiten über zur
Graphik, in der figurale Themen bestimmend sind. Eitel Klein stellte mit
Vorliebe Menschen unter den Aspekten Alltag, Nachbarschaft,
Beziehungen, ausgedrückt durch Gespräche, dar. Es sind Jean-Pauli­
sche Gestalten, mit Humor geschildert, latent kritisch gesehen, ohne
daß die Satire überhandnähme. Kinder sind oft dabei, Alte und vor
allem Frauen. In ihnen klingt ein anderes Thema an: die
matriarchalische Grundstruktur der fränkischen Gesellschaft, in welcher
der Frauenzorn, wie schon Hans Sachs berichtet, nie Schwierigkeiten
hatte, sich zu artikulieren. In schöner Unabhängigkeit von modischen
Meinungen schildert Eitel Klein Frauen als diejenigen, die das
Gespräch führen, oder als die Herrinnen über die Sexualität. Eine
besondere Werkgruppe bilden daneben die Blätter, in denen sich Eitel
Klein seiner Kriegsgefangenschaft erinnerte.

Die Umwelt der graphischen Figuren ist meist nur angedeutet; hierin
offenbart sich ein abstrahierendes Moment: Die Blätter wurden zu
Hause, im Atelier, gezeichnet. Weite Flächen sind von Strichlagen
überdeckt, über ihnen tritt das Motiv in einprägsamer Plakativität hervor.
Alles ist groß gesehen, worin ein Grundzug seines Schaffens überhaupt
besteht.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß Eitel Klein sich unter
Beibehaltung der genannten grundsätzlichen Positionen, die er mit der
"Fränkischen Maler­schule" teilte, aus eigener Kraft von deren
Ursprüngen entfernte. Die Wirkung des Bildes als solches wird bei ihm
zu einem eigenen Ziel parallel zur Erfassung des Gesehenen. Um
erstere zu erreichen, setzt er Mittel ein, die, für sich betrachtet, völlig
"abstrakt" sein können. Was er ihnen verwehrt, das ist die formale
Eigenständigkeit, die er allein den Objekten des Bildes zubilligt. Man
wird formulieren dürfen, daß er das Mögliche, zu ermessen an der
Differenz seiner Ergebnisse zu den ge­schilderten Bedingungen, in der
ganzen, erst durch ihn aufgedeckten Dimension ausgeschöpft hat, und
daß darin seine künstlerische Leistung liegt.

Das Problem, mit der Zuordnung des Oeuvres von Eitel Klein den
richtigen Zeitgeist zu besänftigen, ist damit freilich noch nicht ganz
überwunden - und es zeichnet sich die Frage ab, ob es nicht überhaupt
noch zu früh dafür ist. Letzteres legt der Blick auf die Figurenwelt seiner
Graphik nahe. Sie war für Eitel Klein besonders wichtig, was deswegen
nicht ganz leicht nachzuvollziehen ist, weil die Blätter kein Angebot an
den Betrachter machen, das dieser auf Grund seiner Vorkenntnisse
mühelos wahrnehmen könnte. Die Gestalten werden nicht eigentlich
kritisch gesehen, sie sind von Dix- oder Groszscher Aggressivität weit
entfernt. Sie weisen unverkennbar fränkische Züge auf, es fehlt ihnen
aber doch jener Realismus, den der Betrachter von der Photographie
gewohnt ist, so daß man sie auch nicht als Dokumente über die Heimat
sieht. Sie wollen Kunst sein, sind aber wegen der genannten regionalen
Gebundenheit auch nicht mit Hinweisen auf Goya oder Daumier zu
fassen. Diese Gebundenheit ist selbst wieder zu relativieren, denn Eitel
Klein nahm seine Vorlagen nicht nur aus der Wirklichkeit, sondern von
wo er sie bekommen konnte. Manche originelle Mimik oder Gebärde
lieferten ihm Zeitungsphotos, er übernahm sogar einige theatralische,
von einem Regisseur überlegt gebaute Szenen, wenn sie die von ihm
gesuchte psychologische Zuspitzung enthielten, vom Fernsehen. Die
Richtung, in welche die Überlegung gehen muß, weist die Stilisierung
der Figuren. Die Gestalten sind mit flottem Strich einheitlich organisiert,
die Gesichter werden aus derselben Grundstruktur, deren
Hauptmerkmal das lange, "klassische" Nasenprofil ist, entwickelt. Es ist
unverkennbar, welchen Habitus die Figuren tragen: den der 50er Jahre.

Eine letzte Bedingung des Lebenslaufs für das künstlerische Schaffen
von Eitel Klein muß in die Überlegung einbezogen werden: Seine Arbeit
konnte erst 1950 richtig beginnen. Dieses Jahr war das wichtigste
seines Lebens. Die Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft brachte
ihm später als anderen die volle Kenntnis der Kunst der Gegenwart, und
dieser Moment war für ihn verbunden mit dem Erlebnis der Freiheit.
Nichts wäre unsinniger, als von ihm eine Kritik dieses Moments zu
verlangen. Eitel Klein bewahrte den Konsens der 50er Jahre mit ihren
legitimierten Fluchten, die in der privaten Feier, der Reise oder der
Faschingsmaske bestanden. Zwangsläufig war er damit an eine
Vorstellungswelt fixiert, die ihn manche spätere Entwicklung ablehnen
lassen mußte. Abgekürzt kann man mit dem Jahr 1968 den
Zusammenbruch der haltlos gewordenen bundesrepublikanischen
Gesellschaft adenauerscher Prägung bezeichnen. Dieses Ereignis
hatte aber auch zur Folge, daß diejenigen, die sich wie Eitel Klein als
modern verstanden und vor dem Hintergrund der 50er Jahre auch das
Recht dazu hatten, ins Abseits der Unmoderne gerieten, wenn sie z. B.
jene Entwicklungen nicht mitmachten, die mit dem oben zitierten, da­
mals negativ gemeinten, hier wertfrei eingesetzten Begriff "documenta-
Kunst" umschrieben werden können. So geriet eine ganze Generation
nicht nur von Künstlern in die Lage, bisherige Einstellungen durch
konkurrierende Übersteigerungen relativiert zu sehen.

Erst allmählich ist zu erkennen, daß diese Entwicklung auch Unrecht
enthielt. Eitel Klein hielt die Zeitstimmung der 50er Jahre als positives
Ereignis fest. Er bereitet der Kunstgeschichte damit eine ähnliche Mühe
wie die Alterswerke von Dix, Grosz oder Heckel, die ebenfalls an jene
Ära stimmungsmäßig gebunden sind. Wir müssen noch lernen, daß die
Anwendung der Alternative modern - unmodern in manchen Fällen
leichtfertig sein kann. Die zitierte Kennzeichnung des Oeuvres von Eitel
Klein als "Nicht-documenta-Kunst", die natürlich einen geheimen
Vorwurf einschließt, bedarf daher der Erläuterung, die vom politischen
Aspekt her mühelos zu sichern ist. Eitel Klein beharrte auf den
pazifistischen und antinazistischen Lehren seines Lebens, auch wenn er
zugleich die Abstraktion wie die antiautoritären Bewegungen der 70er
Jahre ablehnte. Nach 1945 wurden die Vertreter der abstrakten, der
gegenstandslosen Kunst in die alleinige Gegnerschaft zur Kunstpolitik
des dritten Reiches gerückt. Das stimmt insofern nicht, als es in
München Künstler wie Schinnerer, Caspar und Eitel Klein waren, die auf
ihrem Gebiet dem Nationalsozialismus Widerstand leisteten.

So kann es denn sein, daß seine Werke etwas transportieren, dessen
ganze Tragweite wir noch nicht einschätzen, weil wir ihnen zu nahe sind.
Manchmal ahnen wir, daß er uns voraus war, etwa, wenn er die
fränkischen Bauernhäuser in einer Zeit als schön malte, in der sie noch
bedenkenlos vernichtet wurden. Aber anderes kann vorerst nur
beschrieben, noch nicht endgültig eingeordnet werden. Er vertraute
seinen Augen und gab das, was er sah, ohne gedankliche Absicherung
mit selbstbestimmten Mitteln wieder. Dabei setzt die Redlichkeit des
handwerklichen Ansatzes seine Ergebnisse in ganz anderer Weise der
Diskutierbarkeit aus als es üblich ist. Er unterstellt etwa, wie ausgeführt,
seine Figuren nicht einer Kritik, welche die Angriffsmöglichkeit des
Publikums von seiner Wiedergabe auf jene gerichtet hätte. Er führt
gleichsam den Dialekt in die Kunst ein, orientiert sich aber an den
höchsten Vorbildern der Kunstgeschichte. Er inszeniert wie im Barock
psychologische Situationen, ohne auf modische Zeitmeinungen
Rücksicht zu nehmen. Er schildert fremde Länder, ohne den
Urlaubsaspekt, die Aneignung eines Mehr an Wertes, für das man nicht
bezahlt hat, einzubeziehen, aber auch ohne damit die übliche
Vernachlässigung der Heimat zu meinen. Seine besten Werke sind von
einer psychologischen Festigkeit, als trügen sie die Botschaft
vergangener Jahrhunderte. Insgesamt beharrte er darauf, daß die
Umsetzung des Gesehenen mit Pinsel und Farbe in Kunst kein ver­
brauchter Ansatz sei. Mindestens ist es ihm gelungen, unter dieser
Prämisse ein Werk zu schaffen, das sich der raschen Einordnung durch
uns entzieht, und sei es schon deswegen, weil es unter unseren
Ettiketten verschwinden würde. Kein Zweifel kann aber sein, daß sein
Oeuvre ihm innerhalb der "Fränkischen Malerschule" des 20.
Jahrhunderts einen der ersten Plätze für immer sichert.


1991 - Prof. Dr. Johann Konrad Eberlein, Professor an der Universität
Graz

zurück zur Startseite